Demmerschoppen

Vatertag -  Der Tag, an dem Mutti mutierte

Mein Name ist Tommy. Ich bin Single. Und gemein. Meine Nachbarn kann ich nicht leiden. Wenn die Ihre Fenster öffnen stinkt es nach langweiligstem Ikea-Mief, gepaart mit Bankirai-Holz-Angeber-Duft. Ekelhaft. Am liebsten würde ich ihnen einen toten Gorilla auf die Tropenholzterrasse tackern.

Und jetzt beginnt für mich wieder die schlimme Zeit des Jahres. Da lungern sie in ihrem Garten herum und ich kann nicht anders. Ich muss sie einfach beobachten. Bei dem, was sie Leben nennen. Ich sitze dann auf meinem Balkon und starre gebannt auf das Treiben. Manchmal schicke ich Ihnen anonyme E-Mails. Die letzte verpackte ich in eine Art Werbeemail. Da habe ich ein selbst geschossenes Foto ihrer langweiligen Frühjahrsaktion „Plastikstühle bis zum Exzess schrubben“ mit dem Werbeslogan „Wohnst Du noch oder stirbst du schon?“ verschönert. So etwas bereitet mir Spaß.

Und demnächst ist ja wieder Vatertag. Ich sag es Euch. Was da im letzten Jahr passiert ist, das war filmreif. Der Stoff aus dem die Alpträume sind. Ihr müsst Euch das so vorstellen:  

Familie Arschloch, die in Wirklichkeit natürlich einen Doppelnamen hat, also Arschloch-Zimtzicke, gehört zu der Gattung, wo der Mann gemeinsam mit der werten Gattin andauernd proklamiert, eine gleichberechtigte Beziehung zu führen. Als sich aber letztes Jahr Papa Arschloch entschied, mal ordentlich den Vatertag zu zelebrieren, konnte ich live erleben, wie es bei gleichberechtigten Paaren so aussieht.

Zusammen mit Freunden wollte sich der Papa an den Rhein begeben. Inklusive Golf-Schnupperkurs. Der sollte nach seinen Angaben aber nur nebenbei laufen. Schließlich ginge es ja um Rambazamba und Hochprozentiges. Die Alte von ihm hat dann als kriegstaktischen Gegenschlag kurzerhand ihre Freundinnen eingeladen. Weibertag! Mit Übernachtung: Motto: „Luderparty“.

Da saß ich also auf meinem Balkon und konnte mir die gesamte Luderparade beim Einlauf angucken. Alle so kurz vor Mitte vierzig, gut gebaut, beruflich tätig und mit Kindern bestückt, die aber am „Ludertag“ nicht dabei sein durften.

Da kamen sie dann alle über den weißen Kiesel gelaufen: Die Zahnarztfrau, die Rechtsanwaltsgattin, die geschiedene Gynäkologen Ex-Frau, die Frau des Ratsmitgliedes und, und, und...

Nun sah das aber leider nicht so aus wie bei „Sex and the city“ oder bei „Desperate Housewifes“. Es schien eher so, als ob die besoffenen Sue Ellen aus Dallas oder die lockige Popamsel Sandra aus den Achtziger einfliegen. Nur mit modernem Gedöns geschmückt. Fußnägel mit Hello Kitty Glitzer-Aufklebern und Prada-Täschchen aus der Kollektion 2009.

Ich brachte meinen Müll heraus. Das war natürlich nur ein Vorwand. Ich wollte näher ran an das Geschehen. Sogleich bog die nächste grell geschminkte Society-Lady um die Ecke. Sie brauchte nur zwei Schritte und dieser bescheuerte Stelzvogel flog direkt in der Einfahrt hin. Aus der Tasche rollte ein rosafarbenes Döschen Prosecco heraus. Aufschrift „Tussi on tour“. Die Metallic-Blondine sah so aus, als hätte sie seit der Schluckmuskelprellung der letzten Nacht kein Auge zugemacht. Ich hab sie dann aufgehoben und rein ins Luderparadies gebracht. Nun war ich mittendrin.

Im Wohnzimmer haben sie Sing-Star gespielt. Leck mich am Arsch. Die Karaoke-Luder mit dem Mikro waren so antörnend wie eine Frau mit einer WC-Ente in der Hand. Wie sagt man auf Englisch? Without any fuckability factor. Totally unfuckable.

Madame Rechtsanwaltsgattin probierte es mit Eminem. Das würde sie von ihrem Sohn kennen, dem Jonathan-Imanuel.

Bingo, dachte ich, du bist ein echtes Luder. Ganz schön keck, sich die Stoffserviette um den Kopf zu binden, mit den Armen das Trainingsritual eines Boxers zu imitieren, den Text dabei nicht können, aber beim „Dadadadada“ wie bekloppt mitschreien und dazwischen immer wieder vom Johnny-Imanuel zu erzählen, dass der das ganz Lied auswendig könne und überhaupt ganz toll sei.

Mein Körper schaltete auf die höchste Stufe des Abtörnmodus

Ich sollte doch ein wenig bleiben, sagte die Hausherrin. Wenigstens zum Essen. Das bestand aus Rucola-Salat und Pizza. Beim Rucola-Verzehr verfielen sie in eine mich anödende Laberekstase über die Zubereitungsmöglichkeiten. Ich fiel vor Langeweile kurz in einen Tagtraum und stellte mir vor, wie ich das ein oder andere nackte Weibsbild mit Salatblättern verziere, hmmm, lecker, Du verdammtes Salat-Luder, ich weiß, Du bist ganz heiß auf mein French-Dressing.

Aber dann ging die Keiferei los: Sein oder Nichtsein. Rucola vom Aldi oder vom Biohof. Allein mit Öl oder immer mit Parmesan. Das war hier die Frage. Leck mich fett..., wie sich da zwei von denen angegiftet haben, ob Rucola auf Pizza ein Frevel sei oder nicht, Hut ab. Das erinnerte an Schlamm-Catchen, nur ohne Schlamm und Anfassen. Wow, dachte ich, immerhin. Fast schon semi-ludertauglich

Im Laufe des Tages wurde es dann doch ein wenig wie „Sex in the Ruhrpott-City“ oder „Desperate Emscher-Deluxe-Wifes“.  

Aus Plastiktüten wurde mehr und mehr Luderkleidung gezaubert und ich belog die Damen und sagte, dass sie ganz bezaubernd aussehen würden. Es wäre eine wahrhaftige männliche Augenerfrischung, was sie mir da zeigten. Da war bei den Schachteln prompt Schicht im Schacht. Sie standen angewurzelt in ihren Leggins und Strapsen vor mir und glotzten dumm aus dem Schulterpolster-T-Shirt. Kurz überkam mich ein wenig Angst vor den Vorort-Villen-Ladies. Aber die haben nur schmerzlich festgestellt, dass das Ludertum nur wirklich was bringt, wenn Männer es auch sehen. Hmmm…

Die Fete war kurzfristig auf dem Nullpunkt angelangt. Kein Gekreische mehr in der Art „Och Christinchen, was siehst Du guuuut aus…“. Und auch kein „Och, du meine Güte, den Mini habe ich auch noch im Schrank, den muss ich mal wieder rausholen“ oder „Ist das  die Nummer 12 von Yves Saint Laurent? Suuuuper Farbe“. Schluss, aus, vorbei. Was sollte ich nun tun? Vor mir standen ein Dutzend weibliche Charlie Rivels und ich hatte Angst, den traurigen Clowns noch mehr weh zu tun.

Kurzerhand habe ich für die Meute gestrippt. Das hab ich bei den California-Dream-Men abgeguckt und dann die „Borbecker-Bierbauch-Boys“ gegründet. So etwas macht man halt als Single.

Nach dem Strip gab es tosenden Applaus, bis Psychologin Babette aufsprang, um mir einen Einlauf der therapeutischen Art zu verpassen. Die Gute stand schon gehörig unter Genever-Einfluss. Mann, hat die mich angekeift. Ich würde eh stören, Männer seien eh nicht eingeplant gewesen und das mit der Kleidung machen sie eh nur für sich selbst und ihre Weiblichkeit. Und schließlich sollten doch die Ehemänner am Abend entscheiden, ob das hormonmäßig wirken würde und so. Himmelherrgott.

Monteursgattin Heidi nahm mich in Schutz. „Lass den Tommy in Ruhe. Du hast doch sowieso nur ein Interesse: Immer und überall im Mittelpunkt zu stehen. War doch klar, dass du heute wieder als der bunteste Vogel auftauchen würdest.“ Schweigen im Weiberwald.

Dann ein Knall. Die frisch geschiedene Karoline war mit der Bowle-Schüssel im Arm auf einen Klapphocker geplumpst, der, vorher noch klappernd, nun aber eingerastet, ordnungsgemäß benutzt werden konnte. Allgemeine Heiterkeit. Gott sei Dank, noch mal gut gegangen. Auf den Schreck folgte eine Runde Kaffeelikör und weiter ging es mit Sing Star.

Um 18 Uhr erreichte dann wenigstens der Tanzstil „Luderniveau“. Laune gut, alle blau, bis eine ans Spülen erinnerte. „Och nee, nicht doch“ dachte ich. Für mich war das unfassbar. Aus den abgefüllten Luderanwärterinnen wurden wieder simple „Drunken Housewifes“.  

Es wurde gespült, geputzt und sogar gefegt und gesaugt. Und dabei über Weichspüler und Mikrofaser gefaselt. Luder meets Meister Proper. Ehrlich, ich übertreibe hier nicht, so wie die über Haushaltsreiniger schwärmten, das hatte dann doch noch ein wenig erotisches, nahezu anrüchiges an sich. In meinem Kaffeelikör verklebten Kopf erschienen Bilder vom nackten Meister Proper. Zusammen mit der Heidi und der Karoline im Bett. Und Heidi flüsterte „schrubb mich“. Ok, war nur ein Tagtraum.

Plötzlich klopfte es. In Jeans und Top gekleidet schwebten Jutta und Simone herein und grölten „Mädels, wir wären dann soweit…Paaartiii…“. Die Beiden kamen vom Baldeneysee, und zwar vom alljährlichen „Vatertags-Vater-Beobachten mit dazu gehörigem fremde Ehemänner anmachen und ausnehmen“. Die Partystimmung war prompt wieder angeheizt, der Sing Star wurde reaktiviert und eine Hot-Pants-Eule kam auf die Idee „Komm, wir machen Whisky-Tasting.“

20 Uhr. Vor der Tür sehe ich die Gatten der Luderriege einmarschieren. Sturznüchtern. In den Augen blankes Entsetzen. Ich frage locker in die Gatten-Runde, wie es denn so war auf Ihrer „Männer-Ausbrech-Tour“. Leidenschaftslos antwortete mir ein Anwalt: „Golf war gut. Wir sind dann noch Fahrrad gefahren.“

Leute, Leute, vor mir stand das Erbärmlichste, was ich je gesehen habe: Eine Horde nüchterner Männer, die mit ihren lächerlich bunten Fahrradhelmen aussahen wie geklonte und verpixelte Calimeros. Schmerzverzerrte und unglückliche Gesichter all überall. Der GAU. Größtmöglich anzunehmende Unlustigkeit.   

Für mich stand fest: Diese beiden Geschlechtsgruppen kommen heute nicht mehr zusammen. Der Rosenkrieg war längst eröffnet.

Gatte A glotzte paralysiert Gattin B auf die Beine, während Gattin A beleidigt aufgrund der Gattenignoranz gegenüber ihren Beinen, den Whisky zum Getränk des Jahres hochjubelte und provokativ ihrem Mann entgegen sang: „Karamba, Karacho, ein Whisky, Määääännor sind Schweiiine…“ Der Gatte glotzte wie ein Schaf, umrahmt von den anderen Penisträgern, die eine Stummfilmvorführung darboten. 

Titel des Films: das „Schweigen der Männer“.

Bevor der erste Mord passierte, kapitulierte die Testosteron-Riege und rottete sich auf der Terrasse zusammen. Die Hausherrin entschied sich zu handeln, wankte auf ihren Ehemann zu und sagte: „Mit dir rede ich heute keinen Schluck mehr, hautab…“ und verschwand wieder ins Luderhaus.

Die Männer entschieden sich zur gemeinsamen Übernachtung beim Rechtsanwalt Hoeger. Der führte den Tross an und sprach  „Ehe ist die Abkürzung für „errare humanum est“. Irren ist menschlich. Los Jungs, ich habe noch eine Kiste Bionade im Haus.“  

Oh, mein Gott, das nenne ich mal Selbstentmannung. Mittlerweile war ich aufgrund von Eckes Edelkirsch, Stonsdorfer und Weißweinschorle ein wenig schläfrig.

Die Frauen waren längst in denselben Langeweile-Status wie ihre Männer zurückgekehrt. Sie lagen auf der Couch herum und suhlten sich in ihrem Beziehungs-Unglück. Anja heulte bei einem in Dauerschleife laufenden Song von „Kajagoogoo“, Anne lamentierte über den Sinn-Zusammenhang von „Lebensgefahr und Lebensgefährte“, Christina bestellte sich im Vollsuff per Internet einen Riesen-Dildo, die Hausherrin polierte wie paralysiert mit einem Mikrofasertuch am Flachbildschirm herum und motzte über den Göttergatten, der Ihr diese Scheiße ins Haus gebracht hätte und der Rest schrieb böse SMS an die Männer.

Ich hatte die Schnauze voll. Wer bin ich denn? Ich heiße Tommy. Ich bin Single. Und gemein. Und dass die Trullas mir noch mit auf den Weg gegeben haben, ich möge doch bitte keinem etwas über diese Party erzählen, neee, das können sie sich schön in die Haare schmieren. Familie Arschloch-Zimtzicke und ihre Freunde aus der Rama-Werbung werden sich noch wundern. Morgen schicke ich Ihnen die ersten Handyvideos. Die können sie sich dann zum Actimel-Frühstück am Ikea-Tisch angucken.  

Tommy-Production proudly presents „Vatertag, der Tag, an dem Mutti mutierte“. Tut mir leid, ich bin gemein. Ich bin Single.